1907
- 2014 Tourist Trophy Isle of Man
Die
Briten Jack Marshall und Frank Hulbert ahnten nicht, dass sie Teil einer
hundertjährigen Erfolgsstory werden sollten, als sie an einem kühlen
Frühlingstag
an der Startlinie zum ersten Rennen um die Tourist Trophy auf der Isle of
Man Aufstellung nahmen. Es war der 28. Mai 1907 als die beiden
Triumph-Fahrer um 10 Uhr auf die 10-Runden-Reise, was einer Renndistanz von
158 Meilen entsprach, geschickt wurden. Sie sollten in diesem Rennen
der
Einzylinder-Klasse die Platze zwei (Marshall) und drei belegen, geschlagen
nur von Charlie Collier. Der Gründer der erfolgreichen Motorradmarke
Matchless benötigte für die Renndistanz auf der damals unbefestigten
Strasse exakt 4 Stunden 8 Minuten und 8,2 Sekunden und sicherte sich damit
einen
festen Platz in der Geschichte
der TT.
Die
Klasse der Zweizylinder-Motorräder gewann Rem Fowler auf seiner Norton vor
Billy Wells (Vindec) und Bill Heaton (Rex).
Dass
es überhaupt Rennen auf der kleinen Insel in der Irischen See zwischen
Grossbritannien und Irland gab lag am so genannten "Red Flag Act".
In ihm
legte die britische Regierung fest, dass jedem motorisierten Fahrzeug
eine Person mit roter Flagge vorzugehen hatte, um andere Verkehrsteilnehmer
zu
warnen. Nach Aufheben dieser Regel durften sich Autos und Motorräder
zwar frei, aber nur mit maximal 20 Meilen pro Stunde auf den Strassen
bewegen.
Auch für Rennen wurde keine Ausnahme gemacht. Dermassen eingeschränkt
suchten Rennfahrer nach Alternativen.
Die
Verwaltung der Isle of Man erkannte den Nutzen eines solchen Rennens und
erlaubte ab 1904 die Austragung eines Autorennens auf abgesperrten
öffentlichen
Strassen. Nachdem diese Veranstaltung ein voller Erfolg war, räumte man
auch den Motorradrennfahrern die Möglichkeit ein, einen eigenen
Wettbewerb
abzuhalten. Allerdings sollte dieses Rennen nur Tourenmotorrädern
vorbehalten sein. So erhielt das Rennen den noch heute gebräuchlichen
Namen
"Tourist Trophy".
Gefahren
wurde im Premierenjahr in zwei Klassen. Bei den Einzylindern durfte man
dabei höchstens 3,13 Liter auf 100 Kilometer verbrauchen, bei den
Zweizylindern 3,8 Liter. Aus Sicherheitsgründen wurde nicht nur ein
paarweiser Start, sondern auch eine zehnminütige Pause bei Halbzeit
vorgeschrieben, um die Sicherheit der Fahrer zu gewähren.
Der
erste Rundkurs verband die Ortschaften St. John (Start und Ziel),
Ballacraine, Kirkmichael und Peel. Bis 1910 wurden auf dieser Strecke die
Rennen
abgewickelt.
Bereits
beim ersten Rennen befanden sich mit dem Deutschen Michael Geiger auf einer
NSU und dem Amerikaner Bill Wells (Vindec) gleich zwei
Ausländer unter den
25 Teilnehmern. Beide schlugen sich tapfer. Während Geiger in der
Einzylinderklasse als fünfter über die Zielflagge ging, holte sich
der
Amerikaner den ausgezeichneten zweiten Platz bei den Zweizylindern.
1910
hatten sich die Rundenschnitte dermassen gesteigert, dass man eine neue
Herausforderung für Mann und Maschine suchte. Deshalb wechselte man
1911
auf den noch heute verwendeten "Mountain-Course" mit einer Rundelänge
von über 60 Kilometern. In diesem Jahr wurden auch erstmals die
Rennen an
zwei Tagen ausgetragen. Die Junior-TT (Einzylinder bis 300 ccm und
Zweizylinder bis 340 ccm) führte über vier Runden, die Senior-TT
(Einzylinder bis 500 ccm, Zweizylinder bis 585 ccm) drei Tage später über
fünf Runden. Auch die neue Strecke hatte noch zahlreiche Abschnitte mit
unbefestigter Oberfläche und erwies sich vor allem bei Regen als
ausserordentlich rutschig.
Waren
bis dahin alle Stürze einigermassen glimpflich verlaufen, forderte der neue
Kurs mit Victor Surridge bedauerlicherweise sein erstes Todesopfer.
Die
Zeit zwischen den zwei Weltkriegen brachte nicht nur einen gehörigen
technischen Fortschritt, sondern auch die ersten TT-Helden. Walter Handley
gelang es 1925 als Erstem, zwei Rennen in einer Woche zu gewinnen. Ingesamt
schaffte er vier Siege, einen weniger als Alec Bennett. An den
sechsmaligen
Sieger Jimmy Guthrie erinnert sogar ein Denkmal. Das "Guthrie
Memorial" wurde an jener Stelle errichtet, wo er bei seinem letzten
Antreten auf der Isle of Man ausgefallen war. 1937 verunglückte der Schotte
beim Grossen Preis von Deutschland auf dem Sachsenring tödlich.
Der
grosse Star der Zwischenkriegszeit war aber zweifellos der junge Ire Stanley
Woods, der 1923 seinen ersten Erfolg verbuchen konnte. Bis 1939
sollten noch
neun weitere Siege folgen. Damit wurde der Ire einer der erfolgreichsten
Protagonisten der Tourist Trophy Geschichte.Trotz zahlreicher
Einwände
durfte übrigens bis 1927 die Rennstrecke an den Trainingstagen für den
öffentlichen Verkehr nicht gesperrt werden, um die Bevölkerung nicht
in
ihrer Bewegungsfreiheit einzuschränken. Diese Starrköpfigkeit der
Veranstalter kostete Cecil Birkin das Leben, als er beim Morgentraining mit
einem
auf seiner Fahrspur entgegenkommenden Fahrzeug zusammenstiess.
Immer
wieder versuchten Fahrer vom Kontinent in die Phalanx der englischsprachigen
Piloten einzudringen. 1927 scheiterte Luigi Arcangeli bei der
Leightweight-TT nur ganz knapp an der Sensation. Der Italiener musste sich
nach sieben Runden nur Walter Handley geschlagen geben. Schon im Jahr
zuvor
sorgte Pietro Ghersi für gehöriges Aufsehen. Der Moto Guzzi Pilot führte
bis in die fünfte Runde. Nach der Reparatur am Vergaser fehlten Ghersi
lächerliche
20 Sekunden auf den Sieger G. W. Johnston. Nachträglich wurde der Italiener
disqualifiziert, weil er bei der technischen Abnahme eine
falsche Zündkerzenmarke
angegeben hatte. Immerhin blieb ihm der Rundenrekord. Ghersi schaffte auf
seiner 250er, die 100-km/h-Barriere zu brechen.
Omobono
Tenni schaffte am 16. Juni 1937 in der Leightweight-TT, was bis dahin noch
keinem ausländischen Fahrer gelungen war, ein Sieg auf der Isle of
Man. Der
legendäre Italiener, der 1948 beim GP der Schweiz einem Rennunfall zum
Opfer fallen sollte, dübierte auf einer Moto Guzzi alle seine Gegner.
Trotz
eines Sturzes in der zweiten Runde im Streckenabschnitt Glen Helen bezwang
er seine höher eingeschätzten Gegner.
Ewald
Kluge, der dieses Rennen angeführt hatte, aber mit Defekt aufgeben musste,
gelang im darauffolgenden Jahr die Revanche. Auf seiner DKW gelang
ihm nicht
nur der ersehnte Sieg, sondern er stellte auch einen neuen Runden- und
Rennrekord in seiner Klasse auf.
Dieser
Erfolg wurde vor allem in Deutschland gross gefeiert. Man rüstete bereits für
den Zweiten Weltkrieg, da kam dieser Sieg über den Erzfeind
Grossbritannien
gerade recht.
Für
das Jahr 1939 wurde bei den deutschen Motorradfabriken für einen weiteren
Erfolg noch grössere Anstrengungen unternommen. DKW
bot neben
Kluge noch Heiner Fleischmann, Siegfried Wünsche und den Briten
Ernie Thomas auf. NSU vertraute auf die Dienste von Karl Bodmer, Otto Röhrschneck,
Wilhelm Herz und "Crasher" White und BMW erhoffte sich mit dem
Trio Georg Maier (Bild links), Karl Gall und Jock West den grossen Erfolg.
Für
die DKW-Werksfahrer gab es in der Leightweight-TT die Ränge zwei (Kluge), fünf
(Wünsche) und acht (Thomas) und bei der Junior-TT durfte sich
Fleischmann
über Platz drei freuen.
Bei
NSU gab es nichts als Enttäuschungen. Alle Fahrer mussten die Rennen wegen
maschineller Probleme vorzeitig beenden. Auch
für BMW begann die
TT mit einer Katastrophe. Bereits am 2. Juni stürzte
der Österreicher Gall beim Sprung über die Ballaugh Bridge und erlag elf
Tage später seinen
schweren Verletzungen. Trotz dieses schweren Verlustes
konzentrierte sich Meier voll auf seine Aufgabe und spulte zahlreiche Runden
auf einem Privat-
Motorrad zurück.
Schon
in der ersten Runde machte sich dieser Trainingseifer bezahlt. Mit neuer
Rekordzeit setzte sich der Bayer auf seiner Kompressor-BMW an die
Spitze des
43 Fahrer umfassenden Feldes und unterbot in der zweiten Runde nochmals
seine eigene Bestmarke. In den folgenden Runden konnte Meier
seinen
Vorsprung sogar noch weiter ausbauen und nach sieben Runden oder 264,11
Meilen siegte der Gusseiserne, wie Meier genannt wurde, als erster
Ausländer
bei einer Senior-TT.
Der
zweite Platz durch Jock West machte den Erfolg für das bayrische
Traditionswerk an diesem denkwürdigen 16. Juni perfekt.
Europa
lag nach dem Zweiten Weltkrieg noch in Trümmern und die Menschen hatten
wahrlich andere Sorgen als an Motorradrennen zu denken. Trotzdem
gab es auf
der Isle of Man bereits Leute, die an der Wiederbelebung "ihrer"
Tourist Trophy arbeiteten. Trotz zahlreicher Widrigkeiten, Oel und Benzin
waren rationiert und Reifen kaum zu bekommen, dröhnten bereits 1947 wieder
die Motoren.
Die
alte Garde der Motorradrennfahrer, die durch die Kriegswirren teilweise um
ihre besten Jahre gebracht wurden, übernahmen sofort das Kommando.
Auch
nach der Einführung der Weltmeisterschaft im Jahre 1949 durch die FICM
(heute FIM) beherrschten erfahrene Piloten wie Freddie Frith, Harold
Daniell,
Maurice Cann, Artie Bell oder Manliff Barrington die Szene. Doch die jüngere
Generation begann schon kräftig an deren Thron zu rütteln.
1950
schob sich bei der TT mit Geoff Duke ein Fahrer in den Blickpunkt, der mit
seinem makellosen Fahrstil viele Fans gewinnen konnte. Der damals 27-
jährige
wurde neben den Arrivierten Artie Bell, Harold Daniell und Johnny Lockett
ins dominierende Norton-Werksteam aufgenommen und lieferte im
Senior-Rennen
einen sensationellen Einstand. Der Neuling führte vom Start bis ins Ziel,
stellte einen neuen Runden- und Streckenrekord auf und verwies
seine höher
eingeschätzten Teamkollegen eindrucksvoll auf die Plätze. Ein neuer
TT-Star war geboren! Insgesamt trug sich Duke noch weitere sechs Mal
in die
Siegerliste ein. Nach seiner Karriere blieb er auf der Isle of Man und gründete
die Duke Marketing Ltd, die sich auf die Produktion von Renn-Videos
spezialisierte.
Bis
1952 war es deutschen Piloten als Kriegsverlierer verboten, an
internationalen Rennen teilzunehmen. 1953 kehrten die deutschen
Motorrad-Marken
BMW, DKW und NSU mit viel Engagement und Ehrgeiz auf die
Insel zurück. Während Walter Zeller (BWM) in der Senior-TT in
aussichtsreicher Position
stürzte, schaffte Werner Haas auf NSU zwei zweite
Plätze (Klasse 125cc und 250cc) und Siegfried Wünsche brachte seine DKW
auf den dritten Rang
(250cc). Am Ende des Jahres durfte sich ganz
Deutschland über einen Doppel-Weltmeister namens Haas freuen.
1953
erfüllte sich auch das Schicksal von Leslie Graham. Der erste Weltmeister
der Halbliterklasse wünschte sich nichts sehnlichster als einen Sieg auf
der Isle of Man. Tatsächlich gelang es dem Briten auf der MV Agusta das
125er-Rennen für sich zu entscheiden. Doch nur einen Tag später verunglückte
Graham im Senior-Rennen tödlich. In der Senke von Bray Hill raste er in die
Steinmauer. Die Ursache seines verhängnisvollen Sturzes blieb rätselhaft,
doch man vermutete einen Bruch der Vorderradschwinge.
Im
Jahr darauf wollte es NSU genau wissen. Bereits im März kam die
Mannschaft zu einem Privattraining auf die Insel, um sich die schwierige
Strecke
einzuprägen. Für den jungen Österreicher Rupert Hollaus war es
überhaupt der erste Kontakt mit dem spektakulären Kurs.
Der
Einsatz zahlte sich aus. In der Leightweight-TT feierte man mit Haas,
Hollaus, Reginald Armstrong und H. P. Müller einen Vierfachsieg. Die
Ultra-
Leightweight-Klasse, die allerdings auf dem kürzeren Clypse-Kurs
ausgetragen wurde, entschied Hollaus nach hartem Kampf mit Carlo Ubbiali für
sich.
Hans Baltisberger brachte seine Rennfox auf den vierten Platz.
1954
fand nach 29 Jahren auch wieder ein Seitenwagen-Rennen statt. Nur im ersten
Jahr konnte ein Norton-Gespann (Oliver/Nutt) siegen, danach begann
die
unglaubliche Siegesserie von BMW. Bis zum Ende der Rennen mit WM-Status im
Jahre 1976 holten Walter Schneider, Max Deubel, Siegfried Schauzu
und Klaus
Enders, um nur einige zu nennen, für das bayrische Werk 26 Siege!
Eine
besondere TT-Geschichte schrieb Florian Camathias im Jahre 1963. Bei der
Anfahrt verweigerte das Transportfahrzeug des eigenwilligen
Schweizers in
Grossbritannien seinen Dienst. Kurz entschlossen wurde das Gepäck auf dem
Renngespann verstaut und Camathias, sein damaliger
Beifahrer Alfred Herzig
und der Mechaniker zogen des Weges. In Liverpool wäre die Fahrt fast zu
Ende gewesen. Wegen der enormen Lärmentwicklung
wollte ein Polizist das
Trio stoppen. Als er hörte, dass sie die Fähre zur Isle of Man erwischen
mussten, liess er sie passieren. Die Sieger des Rennens
hiessen übrigens
Camathias/Herzig!
Hatten
in den ersten Jahren nach Wiederaufnahme der Tourist Trophy die britischen
Einzylinder-Motorräder das Renngeschehen in den grossen Klassen
bestimmt,
folgten dann jahrelang die italienischen Motorrad-Firmen mit ihren eleganten
Mehrzylinder-Modellen.
Vor
allem Bob McIntyre und John Surtees, 1964 auch Formel-1-Weltmeister, hiessen
damals die Protagonisten, die sich Ruhm und Ehre teilten.
Nach
dem Rückzug von Mondial, Gilera und Moto Guzzi Ende der Fünfzigerjahre
schickten sich die japanischen Hersteller an, die Motorradwelt in Europa
zu
erobern. Beim ersten Antreten von Honda 1959 wurde die Abordnung von vielen
noch milde belächelt. Doch zu aller Überraschung holten sich die in
Europa
unbekannten Fahrer Giichi Suzuki, Seiichi Suzuki, Teisuke Tanaka, Naomi
Taniguchi und Bill Hunt trotz mangelnder Streckenkenntnis den
Fabrik-
Mannschaftspreis im Rennen der Achtelliterklasse, wobei Taniguchi als
Sechster sogar einen WM-Punkte ergattern konnte.
Bis
zum ersten Einzelerfolg mussten sich die Japaner noch bis 1961 gedulden. Dem
erst 21-jährigem Mike Hailwood gelang in den Klassen 125cc, 250cc
und 500cc
ein Hattrick, der noch keinem Fahrer vor ihm gelungen war.
Das
war der Beginn einer einzigartigen Laufbahn, die nicht nur 14 Siege bei der
TT, sondern auch neun WM-Titel bringen sollte. 1967 konnte der
legendäre
Brite ein weiteres Triple für Honda einfahren.
Auch
Luigi Taveri konnte sich in die Siegerliste der TT eintragen. 1962 und 1964
gewann der drahtige Schweizer die Achtelliterklasse und 1965 auf einer
Zweizylinder Honda die Klasse 50cc.
Die
Sechzigerjahre waren überhaupt das "Goldene Zeitalter" für die
Tourist Trophy. Fahrer wie Hailwood, Gary Hocking, Jim Redman, Phil Read und
auch
Giacomo Agostini lieferten sich unzählige denkwürdige Schlachten,
ihre Fahrten glichen dem Ritt auf einer Kanonenkugel. Sie trieben sich
gegenseitig
zu immer eindrucksvolleren Rundenzeiten. Hatte 1957 ausgerechnet
zum 50-Jahr-Jubiläum Bob McIntyre mit einer Zeit von 22:23,2 als erster
Fahrer die
Schallmauer von 100 Meilen/Stunde durchbrochen, lautete die
Bestmarke von Hailwood zehn Jahre später bereits bei 20:48,8 (=108,77 mph)!
Das
beste Beispiel ist sicherlich das erbitterte Duell zwischen Hailwood und
Agostini um den Sieg in der Senior-TT 1967. Hailwood, stets bemüht schon
in
der Startrunde sein bestes zu geben, hatte soeben einen neuen Rundenrekord
erzielt als er nach der dritten Runde mit seiner Honda an die Box
stürmte,
der Gasgriff hatte sich gelockert. Nach einer provisorischen Reparatur, die
ihn elf wertvolle Sekunden gekostet hatte und Ago in Führung
brachte,
setzte "Mike the Bike" alles auf eine Karte. In einer wahnwitzigen
Fahrt knabberte er Sekunde um Sekunde vom Vorsprung des fehlerlos
fahrenden
Italieners ab. In der fünften von sechs Runden waren beide wieder
zeitgleich als Agostini mit einer gerissenen Antriebskette enttäuscht
aufgeben musste. Der bei der entfesselnden Siegesfahrt erzielte Rekord von
Hailwood sollte erst 1975 von Mick Grant auf einer Kawasaki 750 unterboten
werden.
Nach
dem Umstieg von Hailwood zum Automobilsport dominierte Agostini auf MV
Agusta nach Belieben das Geschehen in der Junior- und Senior-TT. Der
Liebling der weiblichen Zuschauer trug sich insgesamt zehn Mal in die
Siegerlisten ein. Der Todessturz seines italienischen Kollegen Gilberto
Parlotti
1972 veranlasste Agostini nie mehr an einem Rennen auf der Isle of
Man teilzunehmen. Auch andere Spitzenpiloten schlossen sich diesem Boykott
an
und überliessen die Tourist Trophy in den Soloklassen den Privatfahrern.
Der Gefahr nach Aberkennung des WM-Status an Medieninteresse und Zuschauergunst zu verlieren, begegneten die Veranstalter der Tourist Trophy 1977
mit einer deutlichen Erhöhung des Preisgeldes. Allein der Sieger des Classic-Rennens erhielt 1979 einen Scheck über 40.000 Schweizer-Franken! Um
weitere Spitzenfahrer anzulocken wurde ihnen zusätzlich auch noch ein lukratives Startgeld offeriert.
Einige der alternden Stars nutzten diese Zeit Ende
der Siebziger-, Anfang der Achtzigerjahre, um ihr Siegkonto gewaltig aufzupolieren. So holte sich Bill Smith vier Siege. Alan Jackson, Mick Grant und
Tony Rutter liessen sich drei Siege gutschreiben und Phil Read trug sich auch noch zweimal in die Siegerliste der Tourist Trophy ein.
Im
Jahr 1978 rückten die Rennen auf der Insel erneut in den medialen
Mittelpunkt, als Mike Hailwood seine Rückkehr zum Motorradsport verkündete.
Der
Brite, der zwischenzeitlich Formel-2-Europameister und dessen Karriere
in der Formel-1 durch einen Unfall beim GP von Deutschland auf dem
Nürburgring
abrupt beendet wurde, entschied sich mit fast 40 Jahren, nochmals sein Glück
auf der Isle of Man zu versuchen. Viele Skeptiker befürchteten
die Zerstörung
einer Legende. Es wurde aber das wohl eindrucksvollste Comeback im
Motorradrennsport. Allen Unkenrufen zum Trotz steuerte Hailwood
seine Ducati
900 zum viel umjubelten Sieg im Rennen der Klasse Fornel-1 (Viertakter bis
1000ccm). Fast zwei Minuten trennten ihn nach sechs Runden
vom vierfachen
TT-Sieger John Williams. Im Jahr darauf krönte "Mike the Bike"
seine Karriere mit seinem siebenten Sieg in der Senior-TT auf einer
Suzuki
500 und machte sich damit bei seinen Fans unsterblich.
Wie
eng Freude und Trauer gerade bei der Tourist Trophy beisammen liegen, zeigte
das Jahr 1978. Im Rennen der Seitenwagen verunglückten zwei
Gespanne unabhängig
von einander nur wenige hundert Meter nach dem Start des Rennens. Für Mac
Hobson, Sieger des Vorjahres und zu diesem
Zeitpunkt Zweiter der
Weltmeisterschaft, seinem Beifahrer Chas Birks und dem Schweizer Ernest
Trachsel kam jede Hilfe zu spät.
Im selben Jahr bedeutete ein Sturz das Ende der
Karriere für Pat Hennen. Der Suzuki-Werksfahrer, der als erster Amerikaner
einen WM-Lauf in der
Halbliterklasse gewinnen konnte, hatte gerade einen
neuen Rundenrekord aufgestellt als er bei der Jagd auf den führenden Tom
Herron bei annähernd
200 km/h den Randstein touchierte. Monatelang kämpften
die Ärzte um das Leben von Hennen. Noch heute leidet der Amerikaner unter
den
Nachwirkungen dieses Unfalls.
Immer
wenn der Blutzoll besonders hoch war, wie eben 1978 oder auch 1970 als sechs
Tote zu beklagen waren, entflammten sofort wieder die
öffentlichen
Diskussionen über die Sinnhaftigkeit solcher Strassenrennen.
Ohne
Zweifel ist der Mountain-Kurs weltweit die wohl gefährlichste Rennstrecke.
Mehr als 200 tote Rennfahrer in der hundertjährigen Geschichte
scheinen
diese Einschätzung zu untermauern. Trotz der Gefährlichkeit oder
vielleicht gerade deswegen, geht von diesem Rennen eine ungeheure
Faszination aus, nicht nur für die Zuschauer. Nirgends ist die
Herausforderung an Mensch und Maschine grösser als auf der Isle of Man. Für
jeden Fahrer
ist es etwas Besonderes - wenn nicht überhaupt das Grösste -
ein TT-Rennen zu beenden und vielleicht sogar eine der begehrten Replicas zu
gewinnen.
Solange es wagemutige Rennfahrer gibt, die sich dieser speziellen
Herausforderung stellen wollen, hat diese Art von Rennen auch seine
Berechtigung.
Nach
den Auftritten von Mike Hailwood versank die Tourist Trophy ein wenig im
Dornröschenschlaf und die britischen und irischen Fahrer übernahmen
die
Vorherrschaft. Aber für die Fans von Rennen auf Naturrennstrecken blieb die
Isle of Man trotzdem immer im Mittelpunkt ihrer Interessen.
Die
folgender Jahrzehnte sollten vor allem im Zeichen eines Mannes stehen - des
Nordiren Joey Dunlop. Der bescheidene Sportler aus Ballymoney, der
nie ein
Mann der grossen Worte war, machte 1976 erste Bekanntschaft mit dem
schwierigen Mountain-Course. Ohne viel Streckenkenntnis versuchte
Dunlop
einfach den schnelleren Konkurrenten zu folgen, um auf diese Weise die
kniffligen Passagen rascher zu erlernen. Es reichte zwar noch nicht für
eine Spitzenplatzierung, doch nach einem 16. und 18. Rang war für Experten
bereits damals klar, dass sie einen künftigen Siegfahrer gesehen hatten.
Sie
sollten Recht behalten, denn bereits im folgenden Jahr durfte Dunlop im
Classic-Jubilee-Rennen zum ersten Mal den Siegessekt verspritzen.
Was
dann folgte, wird wohl so schnell kein Rennfahrer überbieten können.
Insgesamt triumphierte der "King of the Road", wie er von seinen
Gegenern
und Fans ehrfurchtsvoll genannt wurde, trotz Gegnern wie Carl
Fogarty, Steve Hislop oder Phillip McCallen unübertroffene 26 mal. Dazu
kommen noch 14
weitere Top-3-Platzierungen und 79 Zielankünfte. Die Rekordbücher
zählen ausserdem unvorstellbare 256 Runden mit einem Schnitt von mehr als
110
Meilen pro Stunde! Ob kleine Zweitakter oder grossvolumige Viertakter,
mit allen Motorrädern fand der unerschrockene Ire die schnellsten Linien um
den
Mountain-Kurs.
Aber
Joey Dunlop, der im Jahr 2000 bei einem unbedeutendem Rennen in Tallin sein
Leben verlor, sorgte auch abseits der Rennpisten für Schlagzeilen.
1985
steuerte er seinen Fischkutter bei der Überfahrt von Irland auf die Isle of
Man gegen eine Klippe. Die Besatzung konnte damals gerettet werden, acht
MotorrÄder mussten allerdings danach mühsam vom Meeresgrund geborgen
werden. Davon wenig beeindruckt holte sich Dunlop in diesem Jahr drei
Siege.
David
Jefferies schien die Fähigkeiten zu besitzen, in die Fussstapfen des
grossen Dunlop treten zu können. Innerhalb von nur drei Jahren verbuchte
der
grossgewachsene Brite neun Siege auf seinem Konto. Doch 2003 bezahlte
der erst 30-jährigen im Training zur TT mit seinem Leben.
In der letzten Dekade wurde der Rundenrekord -
nicht zuletzt auch wegen zahlreicher Streckenmodifikationen - ständig nach
unten gedrückt. Feierte man
vor 50 Jahren noch die erste Runde mit einem
Schnitt von mehr als 100 Meilen pro Stunde (der Schotte Bob McIntyre benötigte
für eine Umrundung der
Insel 22:24,4 Minuten) liegt der Rundenrekord von
John McGuiness mittlerweile bei unvorstellbaren 17:29,26 (was einem Schnitt
von 208,33 km/h
entspricht). Es scheint also nur noch eine Frage der Zeit,
wer der erste Fahrer mit einem Schnitt über 130 Meilen/Stunde ist! Diese
Jahr 2014 so
geschehen Bruce Anstey schaffte den neuen Rundenrekord!
Erfolgreichste
Fahrer:
Joey
Dunlop 26 Siege, John McGuiness 21 , Dave Molyneaux 16, Mike Hailwood 14,
Phillip McCallen 13, Bob Heath, Steve Hislop, Giacomo Agostini, Rob
Fisher und Stanley Woods je 10. Ferner: Siegfried Schauzu 9, Klaus Enders 4,
Max Deubel, Walter Schneider, Rolf Steinhausen und Luigi Taveri 3, Fritz
Hillebrand 2, Georg Auerbacher, Dieter Braun, Florian Camathias, Ernst
Degner, Helmut Fath, Werner Haas, Rupert Hollaus, Ewald Kluge, Heinz
Luthringshauser, Georg Meier und Fritz Scheidegger je 1 Sieg.
TT-Rekorde:
17:29,26
(Schnitt 208,33 km/h) John McGuiness und 19:28,49 (Schnitt 187,75 km/h) Nick
Crowe im Seitenwgen
Prominente
TT-Opfer:
1939
Karl Gall (A), 1953 Les Graham (GB), 1961 Marie Laure Lambert (CH), 1962 Tom
Phillis (AUS), 1970 Santiago Herrero (E), 1972 Gilberto Parlotti (I),
1976
Walter Wärner, 1978 Ernst Trachsel (CH), 1992 Manfred Stengl (A), 2003
David Jefferies (GB).
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